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Regierung stimmt Prinzip der Impfpriorisierung unter Vorbehalt zu

03.05.2021

Regierung stimmt Prinzip der Impfpriorisierung unter Vorbehalt zu
Nachdem die Impfstrategie der Regierung einer gründlichen Analyse unterzogen wurde, hat die CGFP eine Vielzahl von Widersprüchen festgestellt. An diesem Montag fand auf Anfrage der CGFP hin eine Unterredung mit Premierminister Xavier Bettel, Gesundheitsministerin Paulette Lenert und dem Minister des öffentlichen Dienstes, Marc Hansen, statt.
 
Seit Wochen fordert die CGFP, dass Berufsgruppen im Staatsdienst, die nachweislich einem erhöhten Ansteckungsrisiko ausgesetzt sind und nicht ins Homeoffice wechseln können, auf freiwilliger Basis prioritär behandelt werden. In vielen Ländern ist dies seit Monaten eine gängige Praxis. Die Regierung zeigte bislang keine Einsicht. Nachdem den 30- bis 54-Jährigen angeboten wurde, sich freiwillig für eine Impfung mit AstraZeneca einzutragen, meinte Premierminister Bettel, die Diskussion über eine Impfpriorisierung habe sich erübrigt.
 
Uneinigkeit in der Regierung
 
Diese befremdende Sichtweise stößt nicht nur bei der CGFP auf großes Unverständnis. Sie sorgt auch in Koalitionskreisen für Uneinigkeit. Die Meinungen der Minister Claude Meisch und Henri Kox, die einer Impfpriorisierung nicht abgeneigt waren, wurden überhört.
 
Wie ist es zu erklären, dass eine Mehrheit der CGDIS-Rettungskräfte inzwischen das schützende Vakzin erhielt, während u.a. Lehrer, Polizisten, die Magistratur sowie ein Teil der Gefängnisbelegschaft, um nur diese Beispiele stellvertretend für andere zu nennen, außen vorbleiben mussten? Bis die Herdenimmunität hierzulande erreicht ist, werden vermutlich noch Monate verstreichen. Zudem sind weitere Lieferengpässe bei den Impfstoffen nicht auszuschließen. Die Dreierkoalition wäre gut beraten, nicht erneut Erwartungen zu wecken, die nachher enttäuscht werden.
 
Aus diesem Blickwinkel betrachtet ist eine Priorisierung systemrelevanter Berufsgruppen auf fakultativer Ebene für die CGFP nach wie vor notwendig und gerechtfertigt. Nach anfänglichem Zögern hat die Regierung ihre Zustimmung zu diesem Prinzip gegeben, unter der Voraussetzung eines positiven Gutachtens von Seiten des Ethikrats und dass alle Personen, die aufgrund ihres Alters schutzbedürftig sind, geimpft wurden. Nach Darstellung der CGFP ist die Anzahl der prioritär zu impfenden Personen überschaubar, sodass die Impfung innerhalb weniger Tage zu bewerkstelligen wäre.
 
Gegen eine Zwei-Klassen-Gesellschaft
 
Möglichen Sonderrechten für Personen mit einer Corona-Impfung steht die CGFP äußerst kritisch gegenüber. Zu Beginn der Pandemie sprach sich der Staatsminister mehrmals gegen eine Zwei-Klassen-Gesellschaft aus. Die Krise könne nur gemeistert werden, wenn alle zusammenhalten, lautete das Mantra der Regierung.
 
Privilegien für bereits Geimpfte würden diesen Aufruf zur Solidarität zunichtemachen. Solange noch nicht jeder Bürger zu einer Impfung eingeladen wurde, besteht im Falle einer Einführung von Sonderrechten die Gefahr, dass soziale Ungerechtigkeiten verschärft und Gräben vertieft werden. Grundrechte gelten nur dann als solche, wenn sie ohne Ausnahme für jeden gelten. Außerdem würde die Einführung von Sonderrechten den Verschwörungstheoretikern Rückendeckung verschaffen, die eine vermeintliche „Impfdiktatur“ heraufbeschwören wollen.
 
Individuelle Wahlmöglichkeit beim Impfstoff
 
Die durch die Impfungen verursachten Nebenwirkungen haben bei den Bürgern teilweise Bedenken hervorgerufen. Eine vertrauensbildende Maßnahme könnte darin bestehen, jedem die Wahl zu lassen, welcher Impfstoff ihm verabreicht wird. Es ist bedauerlich, dass diese Praxis, die in mehreren Staaten seit Langem gang und gäbe ist, bislang in Luxemburg aufgrund von Lieferengpässen nicht angewandt werden konnte. Rätselhaft bleibt auch, warum die Hausärzte und die Betriebsärzte noch immer nicht in die laufende Impfkampagne einbezogen wurden.
 
Während die COVID-19-Impfungen in Luxemburg nach einem katastrophalen Auftakt endlich an Fahrt aufnehmen, gewinnt die Diskussion über mögliche Impfschäden an Schärfe. Kommt der Hersteller, der Arzt oder sogar der Staat dafür auf? An wen können sich die Geschädigten wenden, um ihre Ansprüche geltend zu machen? Muss der Betroffene oder der Hersteller nachweisen, ob es einen Zusammenhang zwischen der Schutzimpfung und den eingetretenen Gesundheitsschäden gibt? Diesbezüglich bekräftigte die Gesundheitsministerin, dass in jedem Falle alle möglichen Risiken abgedeckt seien.
 
Keine Nachteile für Ruheständler
 
Kein Verständnis hat die CGFP dafür, dass im Grenzgebiet wohnende luxemburgische Ruheständler im Gegensatz zu den im Gesundheitssektor und in der Altenpflege beschäftigten Pendlern bei der nationalen Impfkampagne nicht berücksichtigt werden. In der EU erfolgt die Vergabe der Impfstoffe aufgrund der Einwohneranzahl. Offensichtlich wurde in Luxemburg die Residenzklausel außer Acht gelassen, damit auch diese Grenzgänger Bestandteil der nationalen Impfstrategie sind. Diese Maßnahme wird keineswegs von der CGFP infrage gestellt. Sie muss jedoch auf die im nahen Ausland wohnenden luxemburgischen Pensionäre und Rentner ausgedehnt werden, damit diese nicht ausgegrenzt werden. Auch wenn die Regierung in diesem Punkt nicht einlenkte, hält die CGFP hartnäckig an dieser Forderung fest.
 
CGFP-Nationalvorstand bezog Stellung zur Telearbeit
 
Vor der Unterredung zur Impfstrategie befasste sich der CGFP-Nationalvorstand in seiner heutigen Sitzung u.a. mit einer flächendeckenden Einführung des Homeoffice im öffentlichen Dienst. Im jüngsten Gehälterabkommen verständigten sich die CGFP und die Regierung darauf, klare Rahmenbedingungen für diese neue Arbeitsweise zu schaffen. So soll das künftige Regelwerk z.B. Willkür in den Verwaltungen vermeiden. Die Entscheidungen der Verwaltungschefs müssen auf einheitlichen Regeln beruhen, ohne dass dabei die Besonderheiten der jeweiligen Verwaltungen außer Acht gelassen werden.
 
Einigkeit herrscht im CGFP-Nationalvorstand darüber, dass in Normalzeiten kein öffentlich Bediensteter dazu gezwungen werden darf, von zu Hause aus zu arbeiten. Einstimmigkeit gibt es auch darüber, dass eine gut funktionierende Telearbeit auf gegenseitigem Vertrauen beruht. Ein unverhältnismäßiger Kontrollwahn und ein schneidender Eingriff in die Privatsphäre der Staatsbediensteten wären schlechte Voraussetzung dafür.
 
In diesem Sinne spricht sich die CGFP dagegen aus, das Homeoffice allein auf den Wohnort des Telearbeiters zu beschränken, da räumlich flexibles Arbeiten unbestreitbare Vorteile bietet. Angesichts der Tatsache, dass im Homeoffice die Grenzen zwischen Beruf und Freizeit oft fließend sind, fordert die CGFP ein Recht auf Nichterreichbarkeit (droit à la déconnexion). Die Staatsbediensteten sollen so davor geschützt werden, außerhalb ihrer Arbeitszeit ständig auf Abruf bereit sein zu müssen.
 
In den kommenden Wochen wird eine CGFP-Arbeitsgruppe die oben angeführten Überlegungen vertiefen. Im Anschluss daran wird die CGFP-Exekutive dem Ministerium des öffentlichen Dienstes einen umfassenden Forderungskatalog vorlegen. Die CGFP will dabei nichts überstürzen, sondern sich die nötige Zeit gewähren, um konstruktive und wohl überlegte Schlussfolgerungen zu unterbreiten.
 
Kein echter Sozialdialog
 
Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise sind noch lange nicht ausgestanden. Der „Plan pour la Reprise et la Résilience“ bildete den Schwerpunkt des diesjährigen Europäischen Semesters. Auch ein zweites diesbezügliches Treffen zwischen der Regierung und den Sozialpartnern in Abwesenheit von Premierminister Xavier Bettel verlief aus Sicht der CGFP absolut nicht zufriedenstellend. Statt auf das gemeinsame Gutachten der Sozialpartner einzugehen, ließ die Dreierkoalition wesentliche Fragen unbeantwortet. Die Unterredung glich einer Alibi-Veranstaltung, bei der die vorgefertigten Meinungen auf Regierungsseite einen echten Sozialdialog unmöglich machten.

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